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Zweite Runde der Parlamentswahlen: Wird Frankreich unregierbar?

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Die erste Reaktion am Wahlabend des 7. Juli war ein Aufatmen, dass der Rechtsruck des Rassemblement National (RN) bei dem zweiten Wahlgang der französischen Parlamentswahlen verhindert werden konnte.

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Das RN, das sich im ersten Wahlgang mit 33 % der Stimmen in acht von zehn Wahlkreisen für den zweiten Wahlgang qualifizierte, schaffte es letztendlich mit 143 Abgeordneten lediglich auf den dritten Platz hinter der Neuen Volksfront (NFP, 182 Abgeordnete) und dem Präsidentenbündnis „Ensemble pour la République“ (168 Abgeordnete). Damit verfügt keine der politischen Kräfte über eine absolute Mehrheit von 289 Abgeordneten. Es herrscht eine Patt-Situation.

 

Die republikanische Front bröckelt

Dass das RN nicht so gut abschnitt, wie befürchtet, lag zum großen Teil daran, dass in Wahlkreisen, in denen sich drei Kandidaten für den zweiten Wahlgang qualifiziert hatten (sogenannte „triangulaire“), sich die drittplatzierten Kandidaten der anderen demokratischen Parteien zurückgezogen haben, um den Kandidaten des RN in einer Stichwahl zu schlagen. Der Plan scheint aufgegangen zu sein, jedoch bleibt festzuhalten, dass viele Wahlkreise mit nur wenigen Prozentpunkten Unterschied zu Ungunsten des Rassemblement National entschieden wurden. Die Annahme, die Brandmauer gegen rechts, die sich einst von den Linken bis zu den Républicains erstreckte, hätte weiterhin einwandfrei funktioniert, ist trügerisch. Der RN ist in Wirklichkeit stärker als zuvor, nur kann er sich im Falle der Stichwahl (wie auch bei den Präsidentschafts- und Parlamentswahlen 2022) immer noch nicht gegen die Wahlbündnisse der anderen demokratischen Parteien durchsetzen. Dennoch ist sein Aufstieg fulminant, schließlich hatte er 2022 nur 88 Abgeordnete.

Die rechtsextreme Partei hat nun Zeit gewonnen, seine Kandidatinnen und Kandidaten für die nächsten Parlamentswahlen, die durchaus in einem Jahr wieder stattfinden könnten, genauer unter die Lupe zu nehmen und entsprechend seriösere Kandidaten aufzustellen. Es ist davon auszugehen, dass ein Teil der Wählerschaft, insbesondere aus dem ehemals republikanischen Lager, sich aufgrund der zahlreichen Skandale um Äußerungen, die den rassistischen Kern einiger Kandidaten offenlegten, sowie ihre Amateurhaftigkeit aufzeigten, in den letzten Zügen des Wahlkampfes noch von der rechtsextremen Partei abgewandt hat.

 

Folgen für Europa

Auch wenn Marine Le Pens RN keinen Wahlsieg in Frankreich einfahren konnte, hat das RN entscheidend Auftrieb erfahren. Sie stellt mit Jordan Bardella fortan den Vorsitz der neu gegründeten Fraktion der „Europäischen Patrioten“, die nicht zufällig offiziell am 8. Juli, also nur einen Tag nach den französischen Parlamentswahlen, in die Taufe gehoben wurde. Die Fraktion ist mit aktuell 84 Abgeordneten aus 12 EU-Staaten nun drittstärkste Kraft im EP und stellt damit die andere Rechtsaußen-Fraktion der europäischen Konservativen und Reformisten (EKR) in den Schatten, die auf den vierten Platz abrutscht. Das dürfte der EKR-Anführerin Georgia Meloni sicherlich nicht gefallen haben. Marine Le Pen war es nicht gelungen, alle europäischen Nationalisten in einer Fraktion zu vereinen, da die anti-transatlantische und pro-russische Ausrichtung einiger ehemaliger I&D-Parteien sowie der ungarischen Fidesz der EKR zuwiderlief. Zudem hatten sich Konservative, Sozialdemokraten und Liberale bereits dazu entschlossen – wie auch schon 2019 gegenüber der I&D-Fraktion – einen sog. „cordon sanitaire“ auf die „Europäische Patrioten“-Fraktion zu legen und diese daran zu hindern, wichtige Posten im EP zu übernehmen. Andererseits ist die Fraktionszugehörigkeit auf europäischer Ebene weniger wichtig, da eine geringere Fraktionsdisziplin als auf nationaler politischer Ebene herrscht.

Mit insgesamt 162 Abgeordneten kommen die Rechtsaußenparteien im EP noch lange nicht auf eine Mehrheit. Sie könnten aber das Regieren in Brüssel wesentlich komplizierter machen und, sollten sie von Stimmen der konservativen EVP gestützt werden, einzelne Dossiers, beispielsweise in der Umweltpolitik, zu Fall bringen. Die RN-Delegation ist mit 30 Abgeordneten die größte nationale Delegation im ganzen EP (die CDU/CSU hat 29 Abgeordnete) und wird darauf bedacht sein, ihren Gestaltungsraum weiter auszubauen. Es wird sich zeigen, ob sie ihren Prozess der ‚Normalisierung‘ auch europapolitisch weitergeht, um perspektivisch Regierungsverantwortung zu übernehmen oder in der Rolle der Fundamentalopposition verhaftet bleibt. Zum einen trug sie maßgeblich dazu bei, dass die AfD von der I&D-Fraktion ausgeschlossen wurde, zum anderen entschied sie sich nun jedoch zum Beitritt der neuen „Europäischen Patrioten“. Diese ähneln stark in ihrer ideologischen Ausrichtung der alten I&D-Fraktion und mit Parteien wie der Fidesz, FPÖ oder der niederländischen Partei für die Freiheit PVV Werte wie die traditionelle Familie und den Kampf gegen illegale Einwanderung hochhalten. Doch vor allem ist hieran ein Widerspruch des RN zu seinen öffentlichen Bekundungen während des französischen Europa- und Parlamentswahlkampfes zu sehen, seinen pro-russischen Kurs verlassen zu haben. Schließlich ist der enge Schulterschluss mit Viktor Orbán, der jüngst zu Gesprächen mit Wladimir Putin nach Moskau reiste, ein klares Indiz dafür, in welche Richtung sich ein Frankreich unter RN-Führung entwickeln würde.

 

Jeanette Süß ist seit März 2023 wissenschaftliche Mitarbeiterin im Studienkomitee für deutsch-französische Beziehungen (Cerfa) des französischen Instituts für internationale Beziehungen (Ifri). Zuvor war sie als European Affairs Managerin beim Brüsseler Büro der Friedrich-Naumann-Stiftung für die Freiheit, wo sie unter anderem die Frankreich-Projekte der Stiftung betreute.

 

 

 

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Jeanette SÜẞ

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Research Fellow, Studienkomitee für deutsch-französische Beziehungen (Cerfa)am Ifri

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Das Studienkomitee für deutsch-französische Beziehungen (Cerfa) wurde 1954 durch eine zwischenstaatliche Vereinbarung zwischen der Bundesrepublik Deutschland und Frankreich gegründet, um die Kenntnisse über Deutschland in Frankreich zu vertiefen und die deutsch-französischen Beziehungen, einschließlich ihrer europäischen und internationalen Dimensionen, zu analysieren. Durch seine Konferenzen und Seminare, die Experten, politische Entscheidungsträger, hochrangige Funktionäre und Vertreter der Zivilgesellschaft beider Länder zusammenbringen, fördert das Cerfa die deutsch-französische Debatte und regt politische Vorschläge an. Es veröffentlicht regelmäßig Studien in zwei Reihen: den « Notes du Cerfa » und den « Visions franco-allemandes ».

Das Cerfa unterhält enge Beziehungen zu deutschen Stiftungen und Think Tanks. Neben seiner Forschungs- und Debattenarbeit fördert das Cerfa die Entstehung einer neuen deutsch-französischen Generation durch originelle Kooperationsprogramme. So führte das Cerfa 2021-2022 ein Programm über Multilateralismus in Zusammenarbeit mit der Konrad-Adenauer-Stiftung in Paris durch. Dieses Programm richtete sich an junge Fachkräfte aus beiden Ländern, die sich im Rahmen ihrer Tätigkeiten für die Herausforderungen des Multilateralismus interessieren. Es umfasste eine breite Palette von Themen im Zusammenhang mit Multilateralismus, wie internationalen Handel, Gesundheit, Menschenrechte und Migration, Nichtverbreitung und Abrüstung. Zuvor hatte das Cerfa am deutsch-französischen Zukunftsdialog teilgenommen, der von 2007 bis 2020 gemeinsam mit der Deutschen Gesellschaft für Auswärtige Politik (DGAP) und mit Unterstützung der Robert Bosch Stiftung geleitet wurde, sowie an der Gruppe Daniel Vernet (ehemals Deutsch-Französische Reflexionsgruppe), die 2014 auf Initiative der Stiftung Genshagen gegründet wurde.

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