Frankreich wartet auf Friedrich Merz
Viel schlechter als zwischen dem Zögerer Olaf Scholz und dem Draufgänger Emmanuel Macron kann es in den deutsch-französischen Beziehungen nicht werden. Vom Kanzlerkandidaten Merz erhofft sich Paris in einigen Bereichen frischen Wind.
Es gibt selbstverständlich wichtigere Dinge für die Franzosen als die politische Entwicklung in ihrem Nachbarland. Bedeutend wichtigere Dinge: die Sorge um die eigene Kaufkraft zum Beispiel, die Zukunft der französischen Rentenreform, die ausufernden Staatsschulden. Und nicht zu vergessen die politische Dauerkrise, in die Präsident Emmanuel Macron das Land hineinmanövrierte, nachdem er im vergangenen Sommer das Parlament hatte auflösen lassen.
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Zwei Länder, zwei Regierungskrisen
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«Viele Franzosen haben die Vertrauensabstimmung im Deutschen Bundestag mit dem Sturz der Barnier-Regierung verglichen», analysiert der Politologe Paul Maurice, der in Paris das Studienkomitee für deutsch-französische Beziehungen bei der Denkfabrik Ifri leitet. Man habe die Ereignisse auf der anderen Seite des Rheins vielleicht nicht immer richtig verstanden. Aber verfestigt, so Maurice, habe sich doch der Eindruck, dass auch das grosse Nachbarland in der Krise stecke.
Der Politologe ist sich sicher, dass die Bundestagswahl in Frankreich dieses Mal besonders aufmerksam beobachtet werde. Zum einen wegen der steigenden Umfragewerte für die AfD: Sie hat einen anderen Weg eingeschlagen als ihr französisches Pendant, das Rassemblement national. Die Partei von Marine Le Pen trennte sich in den letzten Jahren von radikalen Figuren, schlug gemässigtere Töne an und wurde damit zur stärksten politischen Kraft, während die AfD auf einem harten Rechtsaussen-Kurs verharrt.
Maurice sagt, das Erstarken der AfD bereite vielen Franzosen Sorgen. Es sei aber auch ein Zeichen dafür, dass sich Deutschland den Verhältnissen in anderen europäischen Ländern angleiche, wo rechtsnationalistische bis rechtsradikale Bewegungen längst ein fester Bestandteil des Parteienspektrums sind.
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Von grossem Interesse sei die Bundestagswahl aber vor allem wegen ihrer Auswirkungen auf die deutsch-französischen Beziehungen. In Frankreich knüpften viele ihre Hoffnungen an eine neue deutsche Bundesregierung unter der Führung des Konservativen Friedrich Merz, sagt Maurice. Der Kanzlerkandidat der Union stehe im Ruf, frankophil zu sein, deutlich frankophiler jedenfalls als der sozialdemokratische Bundeskanzler Olaf Scholz.
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Renaissance der Kernenergie?
Auch in Energiefragen könnten sich Deutschland und Frankreich wieder annähern, sagt der Politologe Maurice. Merz habe die Abschaltung der letzten deutschen AKW für einen schweren strategischen Fehler gehalten und eine Wiederkehr der Kernenergie nicht ausgeschlossen. Eine deutsche Beteiligung an französischen Unternehmen, die dabei sind, neue modulare Reaktoren zu entwickeln, brachte der CDU-Vorsitzende im letzten Jahr ins Gespräch.
«Merz hat das Ziel vor Augen, das deutsche Wachstum anzukurbeln, und dafür braucht er billigere Energie. Er wird in diesen Fragen deswegen pragmatisch sein», sagt Maurice.
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